20 July 2006

Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam

Stefan Zweig beschreibt in dem Buch

Meine Wertung


Fakten, Fakten, Fakten!

Erasmus von Rotterdam als ueberzeugten Pazifisten und Europaeer, der sich - auf humanistischer Grundlage - vehement fuer einen friedlichen Interessenausgleich zwischen den Voelkern einsetzt. Dass Stefan Zweig die pazifistischen, humanistischen und einigenden Ideen des Erasmus von Rotterdam so stark betont, wird aber erst dann klar, wenn man bedenkt, dass das Buch 1938, also am Vorabend des Zweiten Weltkrieges, erschienen ist. Stefan Zweig, der auf der Flucht vor den Nationalsozialisten, 1942 im brasilianischen Exil, zusammen mit seiner Frau, Selbstmord beging, muss wohl geahnt haben, dass sich diese hehren Ziele nicht durchsetzen wuerden. Denn wie sonst ist es zu erklaeren, dass er es Erasmus persoenlich uebelnimmt, dass dieser - als reiner Theorethiker - immer davor zurueckscheute, sich in die konkrete Politik einzumischen?

Er schreibt dazu:

"Denn dies war die tiefste Tragik des Humanismus und die Ursache seinesraschen Niederganges: seine Ideen waren groß, aber nicht die Menschen, die sie verkündeten. Ein kleines Gran Lächerlichkeit haftet diesen Stubenidealisten wie immer den bloß akademischen Weltverbesserern an, dürre Seelen sie alle, wohlgesinnte, honette, ein wenig eitle Pedanten, die ihre lateinischen Namen tragen wie eine geistige Maskerade: eine schullehrerhafte Pedanterie verstaubt bei ihnen die blühendsten Gedanken. Rührend sind diese kleinen Genossen des Erasmus in ihrer professoralen Naivität, ein wenig ähnlich den braven Menschen, die man auch heute in den philanthropischen und Weltverbesserungsvereinen versammelt erblickt, theoretische Idealisten, die an den Fortschritt wie an eine Religion glauben, nüchterne Träumer, die an ihren Schreibpulten eine sittliche Welt konstruieren und Thesen des ewigen Friedens niederschreiben, während in der wirklichen Welt ein Krieg dem andern folgt und ebendieselben Päpste, Kaiser und Fürsten, die ihren Verständigungsideen begeistert Beifall zollen, gleichzeitig mit- und gegeneinanderpaktieren und die Welt in Brand setzen."

Bei aller Sympathie fuer friedliche Konfliktloesungen, liberale Gedanken und die europaeische Einigung, stellt sich dann doch die Frage:

Ueber wessen Grundhaltung erfharen wir mehr:
Ersamus von Rotterdam oder Stefan Zweig


Interessanter und plastischer wird der Disput zwischen Erasmus und Martin Luther dargestellt, wenn z. B. Luther folgende Aussage in den Mund gelegt wird:

"Wer den Erasmus zerdrückt, der würget eine Wanze, und diese stinkt noch tot mehr als lebendig."

Das Buch ist nicht etwa unglaubwuerdig, es bleibt jedoch ein ungutes Gefuehl und man ist geneigt auszurufen:

Fakten, Fakten, Fakten!

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