09 February 2007

Erfolg - Drei Jahre Geschichte einer Provinz

Meine Wertung

Eine Epoche wird seziert!

Hat man den dichten und sehr spannenden Roman "Erfolg" von Lion Feuchtwanger gelesen, so hat man unwillkürlich den Eindruck, daß Feuchtwanger prophetische, d. h. also, übernatürliche Fähigkeiten gehabt haben muß.


  • Hat er nicht die Schwächen der Weimarer Republik, mit Hyperinflation ($ 1,-- = 42,-- Mark im Januar 1920 zu 4.200.000.000.000,-- Mark im November 1923) und Arbeitslosigkeit auf der einen Seite und ausschweifende Dekadenz auf der anderen Seite, hautnah dokumentiert?
  • Hat er nicht die bayrische Innenpolitik jener Jahre, die von rechtsgerichteten Koalitionsregierungen, antidemokratischem Beamtentum, parteilicher Justiz und politisch einseitiger Polizei geprägt war, präzise beschrieben?
  • Hat er nicht schon 1929, bereits vier Jahre vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, die Ideologie der NSDAP entlarvt und deren Anhänger und Wegbereiter im Detail charakterisiert?

Sicher, Feuchtwanger hat das alles und noch mehr in seinem Roman geleistet; dennoch, es ist nicht übersinnlicher Hokuspokus, der die Faszination ausmacht, sondern seine extrem genaue Beobachtungsgabe. Wie mit einem Seziermesser, geht er an die Zwanziger Jahre in Bayern und Deutschland heran und legt zielsicher das "Krebsgeschwür" dieser Epoche frei. Wir sind es vielmehr, die gelegentlich - abgelenkt durch Phrasen und Stereotype - die Kontinuität der geschichtlichen Entwicklung vergessen. Daß "Krieg und Nationalsozialismus [wie bei einem Gewitter] über uns gekommen sind", können auch nur diejenigen behaupten, die über die "Gnade der späten Geburt [Helmut Kohl]" philosophieren. Ein Grund mehr, diesen Jahrhundertroman, zu lesen!

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