02 December 2009

Auf falscher Bahn - Sechzehn Monate in Rußland


Meine Wertung


Enttäuschung statt Lernprozess!

Der 1929 in französischer Sprache und dann, ein Jahr später, in - stümperhafter - deutscher Übersetzung erschienene Reisebericht "Auf falscher Bahn" ist die sentimentale Abrechnung des Autors mit dem real existierenden Sozialismus in der Sowjetunion, zehn Jahre nach der bolschewistischen Oktoberrevolution. Kein Wunder, dass Panaït Istrati tief enttäuscht war, da er mit folgender Erwartungshaltung nach Rußland gereist war:

Ich war nicht nach Rußland gekommen, um bei den Arbeitern des 'Proletarier-Vaterlandes' einen höheren materiellen Wohlstand zu entdecken, als die bürgerlichen Länder den ihren bieten. Keineswegs. Ich hätte beide Augen zugedrückt, wenn jeglicher materielle Wohlstand gefehlt hätte - was nicht der Fall ist. Aber ich war davon durchdrungen, daß vom moralischen Standpunkt aus, vom Standpunkte elementarer Gerechtigkeit die 'Diktatur des Proletariats' nichts zu wünschen übrig lasse, daß sie nicht anders sein könne als gesund, denn, wenn es schon schwierig sein mag, Behaglichkeit zu schaffen, so kann doch nicht das geringste im Wege stehen, gerecht und anständig zu sein.

Was hätte Panaït Istrati wohl geschrieben, wenn er erst Zeuge der Großen Stalinschen Säuberungen 1935 - 1939 geworden wäre? Aber Panaït Istrati starb 1935, ohne erkannt zu haben, dass der Terror untrennbar mit dem bolschewistischen System einherging. Der Titel dieser Rezension kennzeichnet auch den Erkenntnisprozess bei Panaït Istrati, ist aber zugleich das Fazit für den Leser: Enttäuschung statt Lernprozess!

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