Meine Wertung
Joseph Roth weiß, wovon er spricht…
…wenn er uns in das Milieu der Clochards an der Seine entführt. Seine letzten Jahre verbrachte Joseph Roth, schwer vom Alkoholismus gezeichnet, in Paris. "Die Legende vom heiligen Trinker" war in jeder Beziehung nicht weit von ihm entfernt, während uns "Der Leviathan" in das fiktive Städtchen Progrody mitnimmt, das prototypisch für jedes beliebige jiddische Shtetl in Osteuropa stehen könnte. Auch hier faszinieren die intime Kenntnis der Verhältnisse und Joseph Roths „vollkommene, vollendete Prosa“ (Marcel Reich-Ranicki): "Im Städtchen Progrody aber wußte kein Mensch, was sich alles in der Seele des Korallenhändlers abspielte. Alle Juden hielten ihn für ihresgleichen. Der handelte mit Stoffen und jener mit Petroleum; einer verkaufte Gebetmäntel, der andere Wachskerzen und Seife, der dritte Kopftücher für Bäuerinnen und Taschenmesser; einer lehrte die Kinder beten, der andere rechnen, der dritte handelte mit Kwas und Kukuruz und gesottenen Saubohnen. Und ihnen allen schien es, Nissen Piczenik sei ihresgleichen – nur handele er eben mit Korallen. Indessen war er – wie man sieht – ein ganz Besonderer."
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