05 December 2007

Radetzkymarsch

Meine Wertung


Viel Wahres aus der lebendigen Welt

"Und obwohl Leutnant Trotta keinerlei literarischen Geschmack besaß und obwohl ihm, wenn er zufällig einmal das Wort Literatur hörte, lediglich das Drama "Zriny" von Theodor Körner einfiel und gar nichts mehr, hatte er doch immer einen dumpfen Widerwillen gegen die wehmütige Sanftheit jener Büchlein und gegen ihre goldenen Gestalten empfunden. Er war nicht erfahren genug, der Leutnant Trotta, um zu wissen, daß es auch in der Wirklichkeit ungeschlachte Bauernburschen mit edlen Herzen gab und daß viel Wahres aus der lebendigen Welt in schlechten Büchern abgeschrieben wurde; nur eben schlecht abgeschrieben.

Er hatte überhaupt noch wenig erfahren, der Leutnant Trotta."

So charakterisiert Joseph Roth gegen Ende des Buches seinen Helden, den unglücklichen und glücklosen Leutnant Carl Joseph Trotta. Es ist fast so, als wollte Joseph Roth eben noch beweisen, daß es auch anders geht, und legt mit "Radetzkymarsch" seinen sehr gut "abgeschriebenen" Roman über "viel Wahres aus der lebendigen Welt" vor. Nur ist die Welt, die des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn unter Kaiser Franz Joseph I., so lebendig nicht mehr und das Wahre, d. h. die soziale und politische Wirklichkeit bricht explosionsartig durch und endet mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges in der Katastrophe.

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