07 July 2008

Zwei Massaker und die rumänische Geschichtsschreibung (Podu Iloaiei - 5.254 km)


(Suceava - Podu Iloaiei, 07.07.08)
Das erste Massaker ereignete sich im Juli 1940, d. h. noch vor dem Kriegseintritt Rumäniens in den Zweiten Weltkrieg, in Zaharesti. Radu Ioanid hat dazu in seinem Buch "The Holocaust in Romania" folgendes geschrieben:


"Am 1. Juli 1940 setzten sich die Männer um Kommandeur Carp erneut in Aktion, dieses Mal in der Umgebung von Zaharesti. Die Männer trieben sechsunddreissig Juden aus den umliegenden Dörfern zusammen, die Namen einiger von ihnen wurden ausfindig gemacht: Leon Hamer, Leib Stekel, Ira Lupovici, Nuta Druckman, Moise Haller, Bartfeld, Herr, die Edelsteins, Mutter und Tochter. Ein Zeuge erinnert sich daran, dass sie fürchterlich gefoltert wurden: 'Manchen wurden die Zungen herausgerissen, anderen die Ohren und Finger abgeschnitten. Danach mussten sie sich entlang einer Grube aufstellen, wurden erschossen und hineingestoßen.' Carp zwang zwei Juden an dem Exekutionskommando teilzunehmen; einer davon war Fredi Dermer aus Suceava. Im Januar 1941 exhumierten überlebende Juden die Leichen und bestatteten sie auf dem Friedhof von Suceava."

Daran erinnert dort ein Mahnmal; gedacht wird der "Opfer des reaktionären Regimes" und zudem erfahren wir: "Die Freiheiten der Volksrepublik Rumänien beerdigen auf Ewigkeit die schmerzhafte Vergangenheit."


Andere Tote liegen völlig unpolitisch, jedoch um so romantischer auf dem Friedhof von Suceava.

(GPS N 47°12'56.8" E 27°16'20.6")

Ein Jahr nach dem Massaker von Zaharesti, unmittelbar nach dem Kriegseintritt Rumäniens, fand im Juni 1941 das Pogrom von Iasi statt, dem mindestens 13.000 Juden zum Opfer fielen. Anschließend wurden zwei so genannte "Todeszüge" formiert. In dem Abschlussbericht der Wiesel-Kommission, die den Holocaust in Rumänien untersucht hat, heißt es dazu:

"Nach dem Massaker wurden die Juden in zwei Züge verfrachtet, die als Bestimmungsziel andere Landesteile hatten. Bis zu 150 Juden, viele davon verwundet, wurden in Eisenbahnwaggons gepfercht, die nur eine Kapazität von maximal 40 Personen hatten. Aus dem Todeszug, in dem sich ca. 5.000 Juden befanden und der von Iași in Richtung Călărași fuhr, erreichten nur 1.011 Menschen lebend das Ziel. (Die rumänische Polizei hat nur 1.258 Leichen gezählt, aber Hunderte Tote wurden unterwegs aus dem Zug geworfen.) In den Todeszug in Richtung Podu Iloaiei wurden bis zu 2.700 Juden verladen, von denen nur 700 lebend ankamen. In den offiziellen Berichten der rumänischen Behörden hieß es, dass ca. 1.900 Juden den Zug bestiegen hätten und 'nur' 1.194 gestorben seien."

In der Weite der Ebene von Podu Iloaiei finden wir den jüdischen Friedhof. Auf der Gedenktafel des Monuments, das an dieses Verbrechen erinnert, lesen wir: "Zum Andenken an die hier begrabenen 1200 Juden, Opfer der faschistischen Barbarei, ermordet in dem 'Todeszug' am 29. - 30. Juni und 1. Juli 1941. Lasst uns die Verbrechen des Faschismus nicht vergessen!


(GPS N 47°38'14.1" E 26°16'13.5")

Andere Tote haben einen schattigen Platz auf dem Friedhof von Podu Iloaiei gefunden.


Währenddessen sitzen Kinder von Podu Iloaiei auf den Stufen des Mahnmals und spielen zwischen den Gräbern. Sie wissen nicht, was sich vor weniger als einem Menschenleben hier zugetragen hat.


In einigen Jahren werden sie es vermutlich erfahren. Hoffentlich werden sie unverkrampft mit der Geschichte umgehen können und lernen, dass es ein spezifisches rumänisches Antlitz des Faschismus gab, das auch von der Volksrepublik Rumänien mit ihren angeblichen Freiheiten [?] nicht entlarvt wurde. In sie setzen wir also unsere Hoffnung!

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