20 December 2008

Stolpersteine

(Mülheim an der Ruhr, 20.12.08) Das ist der Kölner Bildhauer Gunter Demnig bei der Verlegung von Stolpersteinen am 05.12.08 in Mülheim an der Ruhr. Stolpersteine sind Betonwürfel mit einer Kantenlänge von zehn Zentimetern, auf deren Oberseite eine beschriftete Messingplatte angebracht ist. Sie tragen den Namen, das Geburts- und Sterbedatum von Opfern des Nationalsozialismus und werden meistens in das Pflaster des Gehweges vor ihren ehemaligen Wohnhäusern eingelassen.



Erinnert wurde u. a. an Emanuel und Betty Brender, die - bis zu ihrer Deportation nach Lodz im Jahr 1941 - in Mülheim an der Ruhr lebten. Ihr tragisches Schicksal ist auf den Internet-Seiten der Stadt Mülheim an der Ruhr dokumentiert. Emanuel Brender wurde am 1. Februar 1885, in Radautz in der Bukowina - damals ein Teil der österreichisch-ungarischen K.u.K. Monarchie - geboren; mein Großvater Elias Hauster kam ebenfalls in Radautz, nur wenige Jahre früher, am 9. November 1878, zur Welt. Aus der Tagespresse erfuhr ich, dass extra aus Israel die Enkelin und die Urenkelin der Familie Brender anreisen und an der Verlegung der Stolpersteine teilnehmen würden. Grund genug für mich, ebenfalls dabei zu sein!

Gunter Demnig reiste nach Mülheim aus Essen an, wo er vormittags bereits an 6 Stellen Stolpersteine verlegt hatte. Im 20-Minuten-Rhythmus (für Verlegung und An- und Abfahrt) ging es dann weiter. An 7 Stellen im Stadtgebiet wurden insgesamt 16 neue Stolpersteine verlegt. Um es klar und unmissverständlich zu sagen:

Die Aktion von Gunter Demnig verdient vollen Respekt und es ist sein Verdienst, auf einfache, aber zugleich einprägsame Weise, an diejenigen Menschen zu erinnern, die dem Rassenwahn der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen sind. Die Stolpersteine sind von besonderer Bedeutung für die Angehörigen der Opfer und bilden gleichzeitig einen wertvollen Beitrag zum Geschichtsverständnis des Nationalsozialismus.

Dennoch und gerade deshalb, stellen sich für mich nach der Verlegung vom 05.12.08 auch einige kritische Fragen. Doch seht euch zunächst zwei sehr kurze Ausschnitte aus dem Dokumentarfilm "Stolperstein" von Dörte Franke an, der am 06.11.08 seinen bundesweiten Kinostart hatte.



Fällt euch etwas auf? Im ersten Ausschnitt spricht Uta Franke, die Projekt-Koordinatorin, davon, dass sie "Ende 2002 alles schon übernommen" habe. Im zweiten Ausschnitt beantwortet der Stolperstein-Pate aus Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern die Frage eines skeptischen Passanten zur Finanzierung der Aktion wie folgt: "Das ist kein Geld aus irgendwelchen Kassen, sondern das sind alles Spenden von Bürgern, ja?"

Ich hingegen fühle mich - nicht zuletzt aus eigener Anschauung am 05.12.08 - vielmehr veranlasst, folgende Fragen zu stellen:
  • Kann es sein, dass das Stolperstein-Projekt des Gunter Demnig, nach der Verlegung von über 17.000 Stolpersteinen in sechs europäischen Ländern, zwischenzeitlich so routiniert abläuft, dass Koordinatoren, Paten, Sponsoren, Beamte und weitere Figuren des offiziellen Kulturbetriebs die Oberhand gewinnen und der Künstler sowie die NS-Opfer, die den eigentlichen Ausgangspunkt für dieses Projekt bildeten, in den Hintergrund geraten?
  • Ich habe sehr wohl verstanden, dass die Finanzierung des Projektes auf Spenden von engagierten Bürgern in den jeweiligen Städten beruht. Schön und gut, aber was wäre denn dabei, wenn die € 95,00 pro Stolperstein aus dem Steuersäckel kämen? Würde das den städtischen Etat ins Stolpern bringen? Werden etwa daraus nicht auch andere Künstler, aber und vor allem der etablierte Kulturapparat, direkt oder indirekt finanziert? Wurden nicht viele der NS-Opfer - bevor man sie brutal ermordet hat - beraubt oder enteignet?
Möglicherweise ergibt sich im kommenden Jahr eine Gelegenheit, diese und andere Fragen mit Gunter Demnig persönlich zu erörtern.

1 comment:

Klaus Binder said...

Hallo Edgar!

17.000 Stolpersteine muß man wohl als Massenproduktion mißverstehen. Komisch ist nur, daß die ganzen Macher das anscheinend nicht wahr haben wollen. Das ganze ist ein finsternes Kapital und gehört zur "Holocaust"-Industrie. Die einen "verdienen" (wie auch immer) am Gedenken der Opfer, die anderen verdienen an der Aufdeckung des Verdienstes am Gedenken der Opfer usw. Am besten man spielt da den Ahnungslosen. Immerhin, ohne diese Gedenken, würde man doch vieles komplett vergessen.

Bei den ganzen Gedenken irritiert mich auch mehr, daß ähnliches, was heute passiert, sehr wenig oder überhaupt nicht zu Kenntnis genommen oder gar für normal hingestellt wird.

Grüße aus Xhain
Klaus B