11 June 2009

Februar/April 1943: Kreuz contra Davidstern

(Suceava, 11.06.09) Im Rumänischen Nationalarchiv in Suceava habe ich u. a. zwei interessante Dokumente aus dem Jahr 1943 gefunden. Am 26. Februar 1943 erlässt der Gouverneur der Bukowina, Brigadegeneral Corneliu Calotescu, den Befehl Nr. 15/1943.


Der Befehl sieht vor, dass Juden gleich welchen Alters den Davidstern zu tragen haben. Der auch als Judenstern bezeichnete Stern, ist auf Mänteln, Jacken, Pelzmänteln, Kleidern und Röcken so anzunähen, dass er auch dann sichtbar bleibt, wenn die Mäntel abgelegt werden. Jegliche Zuwiderhandlungen werden mit der Einweisung in ein Arbeitslager bestraft. Ausgenommen von der Pflicht, den Stern zu tragen, sind Juden, die zum Christentum konvertiert sind, jüdische Frauen, die mit Christen verheiratet sind bzw. solche, die es waren und aus deren Verbindung christlich getaufte Kinder hervorgegangen sind. Polizei und Gendarmerie werden aufgefordert, die Befolgung dieses Befehls zu überwachen.

Am 16. April 1943 schreibt der Dekan der römisch-katholischen Pfarrgemeinde von Radautz, unter dem Betreff "Verpflichtung zum Tragen des Davidsterns für getaufte Juden", einen listigen und zugleich mutigen Brief an den Präfekten seines Landkreises.



Sehr geehrter Herr Präfekt,

die Oberste Regierung hat, zuletzt im Februar 1943, die Taufe von Juden gestattet, was jedoch keinerlei Auswirkungen auf deren bürgerlichen Status hat. Durch die Vollziehung der Taufe hat die Katholische Kirche in ihren Reihen nunmehr auch Gläubige, die jüdischen Ursprungs sind. Durch die Juden erteilte Erlaubnis, sich taufen zu lassen, hat man ihnen - was selbstverständlich ist - auch erlaubt, am Gottesdienst teilzunehmen und christliche Symbole zu tragen, da sie durch die Taufe zu christlichen Gemeindemitgliedern geworden sind. Andererseits verbietet es das christliche Glaubensbekenntnis getauften Juden, andere als christliche Glaubenssymbole zu tragen. Demnach führt der Befehl, der es auch getauften Juden auferlegt, den Davidstern zu tragen, zu gewissen Schwierigkeiten, denn damit wird der Glaube an die Auferstehung eines zukünftigen Erlösers öffentlich bekundet.

Dadurch werden die Christen jüdischen Ursprungs mit ihrer abgelegten Religion belastet und daran gehindert, sich völlig gegenüber der Katholischen Kirche zu öffnen, die sie auf der Grundlage der garantierten Gewissensfreiheit aufgenommen hat. Abgesehen davon, ist es nicht vorstellbar, dass die Oberste Regierung, welche die Taufe der Juden gestattet hat, die Absicht haben sollte, die Wirkung der Taufe dadurch zu entwerten, dass die getauften Juden ein Bekenntnis zu der von ihnen verworfenen Religion ablegen, was die Katholische Kirche zudem daran hindert, sie mit Hilfe der himmlischen Gnade zu guten Christen zu machen.

Zur Vermeidung dieser Widersprüche, bitte ich Sie, die Ihnen geeignet erscheinenden Maßnahmen zu treffen, damit die getauften Juden von dem Tragen des Davidsterns befreit werden.

Herr Präfekt, ich versichere Sie meiner vorzüglichen Hochachtung.

Dekan der römisch-katholischen Pfarrgemeinde Radautz (Stempel und Unterschrift)

Dieser Antrag bezieht sich auf folgende Personen:

1. Rudich Mina Francisca, Witwe
2. Adlersberg Richard
3. Adlersberg Zosia Elisabeth, [Gattin] von Richard
4. Adlersberg Henrietta, Tochter von Richard
5. Rudich Bertha Gertha, [Tochter] von Salomon, ledig
6. Hamburger Clara Maria, Witwe von Leon
7. Liquornik Rudolf, Kriegsinvalide, blind
8. Liquornik Hertha, Tochter von Rudolf

Radautz, 19. April 1943 (Stempel und Unterschrift)

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