Meine Wertung
Versöhnlich im Ton, kompromisslos in der Sache
In seiner autobiografischen Erzählung "Am Beispiel meines Bruders" setzt sich Uwe Timm mit der SS-Vergangenheit seines Bruders Karl-Heinz auseinander, der freiwillig der Totenkopf-Division beitrat, an der Ostfront verwundet wurde und im Oktober 1943 starb. Mehr noch, die Erzählung von Uwe Timm ist zugleich auch eine schonungslose Abrechnung mit dem von Heuchelei und Mystifizierung geprägten Nachkriegsdeutschland, am Beispiel seiner Eltern, seiner Arbeitskollegen und anderer. Wer schon einmal versucht hat, kritisch über sich und/oder seine nahen Familienangehörigen zu schreiben, der weiß, wie schwierig es ist, ehrlich, frei von falschem Pathos, ausgewogen, distanziert, aber dennoch versöhnlich zu schreiben. Dies alles ist Uwe Timm in unprätentiöser Weise gelungen und an keiner Stelle des Buches geht er einen faulen Kompromiss mit den "Schuldigen" ein. Er berichtet, dass es ihm erst möglich war, dieses Buch nach dem Tod seiner Eltern und seiner Schwester zu schreiben. So verständlich dies einerseits ist, so bedauerlich ist es aber auch, denn ein solches Buch hätte im Nachkriegsdeutschland einen anderen, weit höheren Stellenwert gehabt; doch das ist wahrscheinlich zu viel verlangt, denn der "Eifer des Gefechts" war damals noch allgegenwärtig.
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