Mord, Selbstmord, Unfall?
Jakob Abs, der Held in dem vielschichtigen Roman "Mutmaßungen über Jakob" von Uwe Johnson, wird von einer Rangierlok überfahren. War es Mord, Selbstmord, ein Unfall? Hat etwa der Stasi-Hauptmann Rohlfs (alias Mesewinkel, Fabian, Kowalke, Seemann) etwas damit zu tun? Verzweifelt Jakob - im Kontext des Ungarn-Aufstandes 1956 - an der propagandistisch aufgeladenen Atmosphäre in beiden Teilen Deutschlands? Oder ist es nur ein weiterer Arbeitsunfall vor dem Hintergrund verschärfter Planvorgaben der sozialistischen Kommandowirtschaft? Selbst nach der zweiten Lektüre des Buches weiß ich es nicht; je nach ideologischem Standpunkt wird man zu der einen oder anderen Theorie tendieren. Auch andere Fragen bleiben offen. Nicht jeder Leser versteht Deutsch, Englisch, Russisch, Mecklenburger Platt gleichermaßen gut. Und doch, will man nicht nur erfahren, sondern vor allem fühlen, wie man im geteilten Nachkriegsdeutschland unter den Bedingungen des Kalten Krieges gelebt, geliebt, gearbeitet hat, dann muß man Uwe Johnson lesen, lesen, lesen...