(Warszawa, 28.04.11 - 30.04.11) Bin ich nach vier Stunden Fahrt etwa schon in Moskau? Mein Motorrad ist zwar schnell, aber so schnell nun doch nicht. Nein, es ist Warschau, sieht nur auf den ersten Blick wie Moskau aus, wenn der Kulturpalast in der Abendsonne erstrahlt. Dieser Kulturpalast, erbaut im Stil des Sozialistischen Klassizismus, war ein Geschenk der damaligen Sowjetunion an Polen und wurde 1952 - 1955 von sowjetischen Bauarbeitern auf Kosten der UdSSR gebaut. Stalin war bei der Fertigstellung zwar schon längst tot, der Stalinismus aber nicht und Geschenk bleibt eben Geschenk, egal, ob der Beschenkte sich darüber freut oder nicht. Fest steht aber, dass sich die Warschauer Bevölkerung noch im November 2009 in einer Fernsehumfrage für die Beibehaltung des Gebäudes ausgesprochen und damit Abrissplänen des polnischen Außenministers Radoslaw Sikorski eine klare Absage erteilt hat.
Ähnlich unverkrampft geht man in Polen auch mit der Holocaust-Geschichte um. Auf Schritt und Tritt begegnet man den Spuren des Warschauer Ghetto und gedenkt der unsagbaren Leiden, denen die Menschen darin ausgesetzt waren.
Natürlich hat die umfassende Beschäftigung mit dem Holocaust auch eine wirtschaftspolitische Komponente und unzählige Touristen aus aller Welt kommen nach Warschau, um den Spuren zu folgen, die das nationalsozialistische Terrorregime hinterlassen hat. Aber warum auch nicht, denn es ist allemal besser so, als - wie wir noch sehen werden - im umgekehrten Fall. In der Ukraine und in Rumänien möchte man am liebsten den Holocaust als unliebsame Episode der Deutschen ad acta legen.
Aber auch hier verdrängt moderne Stadtplanung die Geschichte und dort, wo sich einst das Ghettogelände erstreckte, entstehen neue Hochhäuser, diesmal nicht mehr im Zuckerbäckerstil. Was bleibt, sind "multifunktionale" Fenster.
Was ebenfalls geblieben ist, ist der Jüdische Friedhof an der Okopowa-Straße. Dafür, dass er mit 200.000 Grabstätten auf 33 ha einer der größten jüdischen Friedhöfe in Europa ist, sind die Wikipedia-Artikel dazu mehr als bescheiden.
Die noch zu klärende Frage wird sein, warum dieser bedeutende Friedhof der völligen Zerstörung entgangen ist, während die meisten anderen jüdischen Friedhöfe in Polen - viel kleinere, weniger symbolträchtige - dem Erdboden gleichgemacht worden sind.
Damit haben Jugendgruppen aus aller Welt die Chance, die Friedhofspflege zu besorgen und hier Gedenkfeiern zu organisieren, wie diese Gruppe aus Spanien.
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